„Interview“ mit Fritz Horst Melsheimer

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Nachfrage bei Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer über die Gründe seiner Ablehnung eines Netzrückkaufes 

 

Am 22. September findet der Volksentscheid über den Rückkauf der Energienetze statt. Mehr Einfluss für Hamburg hört sich doch eigentlich gut an, oder?

Melsheimer: „Auf den ersten Blick ja, wenn man aber genauer hinschaut. dann sind die Gestaltungsmöglichkeiten des Netzeigentümers zur Verfolgung energie- oder klimapolitischer Ziele deutlich beschränkt. Die Bundesnetzagentur gibt klare Regeln für den Netzbetrieb vor, genehmigt die Netzentgelte und verpflichtet die Betreiber zu ständigen Effizienzsteigerungen. Dabei sind die Netzbetreiber zur diskrirninierungsfreien Durchleitung des Stroms durch ihre Netze gezwungen, wobei grüner Strom immer Vorrang genießt. Da bleibt nicht viel Gestaltungsspielraum. “

Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die lokalen Verteilnetze bei der Energiewende? Melsheimer: „Zu oft wird in der öffentlichen Debatte über die Energiewende nur über die Übertragungsnetze, also die großen ,Stromautobahnen‘ von Nord nach Süd gesprochen. Nur selten werden da-gegen die Herausforderungen für die Verteilnetze vor Ort thematisiert, wobei diese mindestens genauso gewaltig sind: Immer größere Anteile aus Erneuerbaren Energiequellen müssen aufgenommen werden, das Netz muss bei schwankenden Einspeisungen stabil gehalten wer-den, Angebot und Nachfrage im Netz müssen intelligent miteinander verbunden, Speichermöglichkeiten müssen integriert werden. Das kostet nicht nur viel Geld, sondern bedeutet auch hohen Forschungsaufwand!“

Von Vertrauensleuten der Initiative werden niedrigere Strompreise bei einem l00%-Rückkauf versprochen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Melsheimer: „Die Netzentgelte machen rund ein Viertel des Strompreises aus. Allein auf diesen Teil haben die Netzbetreiber Einfluss. Die Netzentgelte unterliegen dabei aber der staatlichen Regulierung durch die Bundesnetzagentur, die den Preis für die Durchleitung des Stroms durch die Netze genehmigen muss. Die Bundesnetzagentur setzt darüber hinaus eine Erlösobergrenze fest, die alle Netzbetreiber zur ständigen Effizienzsteigerung zwingt. Diese staatlich verordnete „Anreizregulierung“  sorgt im Sinne der Verbraucher für niedrige Netzentgelte, egal, wem das Netz gehört.“

Die Initiatoren sprechen zudem von einem guten Geschäft für die Stadt mit hohen Renditen …

Melsheimer: „Vor einer solchen Aussage muss man immer die Chancen und die Risiken fair miteinander abwägen. Zunächst muss einmal der Kaufpreis für die Energienetze geschultert werden. Der liegt laut Expertenschätzungen bei mindestens zwei Milliarden Euro. Da niemand – die Stadt schon gar nicht – dieses Geld auf der hohen Kante‘ hat, fallen auf jeden Fall Zins-und Tilgungszahlungen für Kredite an. Die müssen dann erst einmal durch den Netzbetreiber verdient werden, ehe überhaupt an Gewinne gedacht werden kann, Und dann müssen die Netze ja kontinuierlich erneuert und verbessert werden. Diese Investitionen müssen aus den Gewinnen bezahlt werden. Und dass für den Netzbetreiber am Ende nicht so viel übrig bleibt, darüber wacht dann schließlich die Bundesnetzagentur als Anwalt der Energieverbraucher.“

 

Stehen Sie mit dieser Position nicht isoliert da?

Melsheimer: „Ganz und gar nicht, viele neutrale Experten haben die gleiche Auffassung. Die Monopolkommission der Bundesregierung, die Bundesnetzagentur und auch die Deutsche Energieagentur haben unsere Auffassung bestätigt. Ähnlich äußern sich Wirtschaftsverbände, Bund der Steuerzahler und andere: Mit Netzeigentum lässt sich nun mal keine Energie- und Klimapolitik machen.“

Welchen Ausgang erwarten Sie am 22. September?

Melsheimer: „Konkrete Projekte vor Ort zur Erzeugung, Speicherung und Verteilung der Erneuerbaren Energien sind ein Beitrag zu Energiewende, nicht die Frage der Eigentumsrechte an den Energienetzen. Und da ich weiß, dass gerade die Hamburgerinnen und Hamburger einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten wollen, werden sie mehrheitlich gegen den Antrag der Volksinitiative stimmen, der uns Steuerzahler viel Geld kostet und der die Energiewende in Hamburg ausbremst.“

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